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2. September 2025

Programmierte Unterschiede: Wie der Computer soziale Ungleichheiten verhärtet

Der Computer brachte neue Jobs und zerstörte alte Berufsfelder. Bestimmte Personen, Firmen und Länder profitierten besonders von der neuen Technik - andere lernten die Schattenseiten ihre Schattenseiten kennen. Eine besondere Rolle nahmen dabei Frauen ein.

Porträt des Wissenschaftlers Michael Homberg vom Leibniz-Zentrum für Zeithistorische Forschung (ZZF) Potsdam

Priv.-Doz. Dr. Michael Homberg

Wissenschaftler

Institut: Leibniz-Zentrum für Zeithistorische Forschung (ZZF) Potsdam

E-Mail: homberg@zzf-potsdam.de

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In der Praxis kam der Computer in vielen Ländern ab den 1950er Jahren sowohl an Hochschulen als auch in Industrie und Verwaltung zum Einsatz. Dabei trug der digitale Wandel, wie in der Bundesrepublik, entscheidend zur Veränderung der Arbeitstätigkeiten und mancherorts sogar zum Umbau ganzer Branchen bei, etwa in der Druckindustrie, in der der massenweise Abbau von Arbeitsplätzen quer durch Europa massive Streiks zur Folge hatte.

In vielen Behörden und Unternehmen brachte die Verbreitung der Computertechnik neben strukturellen Veränderungen allerdings auch eine Expansion der Betriebstätigkeiten. So eroberten neue digitale Experten die Unternehmen, transformierten Managementkonzepte und wirbelten mit ihrem digitalen Knowhow, nicht ohne Konflikte, etablierte betriebliche Hierarchien durcheinander.

Mit dem Computer kam es in den 1970er Jahren zu einer Pluralisierung der Karriere- und Ausbildungswege: es entstanden neue Berufsfelder wie Programmierer, Systemanalytiker, IT-Berater oder Computertechniker. Zudem wandelten sich bestehende Berufe, da digitale Kompetenzen immer wichtiger wurden. Die Vielfalt der Aus- und Weiterbildungsangebote nahm zu; Quereinstiege waren und blieben aber zugleich üblich. Diese Entwicklungen standen in starkem Kontrast zu klassischen linearen Ausbildungswegen und typischen Berufsbildern.

Männer sitzen und stehen in einem Vüro voller Computer in den USA in den 70ern.

Computer in den 70ern: Soziale Ungleichheiten und körperlich harte Arbeit

Dennoch dominierten zu dieser Zeit weiter die Praktiker:innen, also Personen mit praktischer Erfahrung, handwerklichem Können oder einer praxisorientierten Ausbildung. Die Arbeitswelt war weiterhin stark von Menschen geprägt, die ihr Wissen und ihre Fähigkeiten „on the job“ oder durch praktische Tätigkeiten erworben hatten. Zugleich drängten aber immer mehr Akademiker:innen im neuen Fach der „Informatik“ auf die Arbeitsmärkte.

Früh zeigten sich massive Klassenunterschiede in der Computerindustrie: So reichte das Spektrum der Computerfachleute um 1970 von hochausgebildeten und -bezahlten Angestellten, allen voran im Bereich Programmierung und IT-Beratung, bis hin zur breiten Masse der Arbeiter:innen in der Elektronischen Datenverarbeitung (EDV), die zum Beispiel in der Hardwareproduktion, aber auch als Locher:innen und als Maschinenbediener:innen im Einsatz waren.

Hierbei erwies sich zum Beispiel gerade das Arbeiten in den Maschinenräumen der Rechenzentren als geistig wie körperlich strapaziös. So war das Personal in vielen Fällen einer hohen Lärmbelastung und anstrengenden klimatischen Bedingungen ausgesetzt; auch blieben Akkordarbeiten und Schichtdienste an der Tagesordnung.

Frauen waren die „Hidden Figures“ der Computertechnik

Neuere Forschungen zum angloamerikanischen Raum haben zudem die Gender-Dimension des Computerarbeitens hervorgehoben. Heute sprechen wir beim IT-Sektor von einer stark männlich konnotierten Domäne, allerdings spielten Frauen im Bereich Programmierung und vor allem auch in der Datenverarbeitung über viele Jahre hinweg eine wichtige Rolle. Zwar blieben Karrieren in Unternehmen im Bereich der EDV in vielen Fällen Männern vorbehalten und die sich etablierende mathematisch-theoretische Disziplin der „Informatik“ verstärkte diesen Trend noch. Jedoch zählten – auch in der Bundesrepublik – in den Nachkriegsdekaden neben den Programmiererinnen die „Datentypistinnen“, „Rechenmädchen“ und „Locherinnen“ zu den Hidden Figures der Computergeschichte.

Auch die praktische Anwendung des Computers in Unternehmen und Behörden brachte ihre Licht- und Schattenseiten für die Arbeitnehmer:innen. Für Industriearbeiter und Büroangestellte bedeutete digitales Knowhow einerseits eine vielversprechende Karriereoption, andererseits mehrte sich aber auch hier bereits in den späten 1970er Jahren die Klagen: Überlastung, Stress und die neuerlich eintönigen Tätigkeiten rückten so in den Fokus der Kritiker. Folglich standen den positiven Erwartungen an die viel beschworenen neuen Computerarbeitswelten zunehmend auch skeptische Wahrnehmungen gegenüber.

Dieser Text ist Teil eines Beitrags und erschien zuerst im März 2024 in der Zeitschrift „Forschung & Lehre“.

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